Wenn dir oder einer bekannten Person sexuelle Gewalt oder eine missbräuchliche Beziehung widerfahren ist, sei versichert: Ihr seid nicht allein und es ist nicht eure Schuld. Es gibt rund um die Uhr Hilfe, z.B. bei der Opferhilfe Schweiz.
Diese Seite hier ist eine Orientierungshilfe, um sexuelle Gewallt und missbräuchliche Beziehungen besser zu verstehen – sowie für Tipps, Hilfe oder Unterstützung.
Die verschiedenen Inhalte dieser Seite wurden ursprünglich auf www.rainn.org oder www.thehotline.org veröffentlicht.
Wichtige Punkte
Was kannst du nach einem sexuellen Übergriff oder einer missbräuchlichen Beziehung tun? Möglicherweise bist du körperlich verletzt, seelisch erschöpft oder unsicher, was du als Nächstes tun kannst. Du benötigst vielleicht medizinische Behandlung oder emotionale Unterstützung oder willst diesen Vorfall der Polizei melden, weisst aber nicht, wo du anfangen sollst. Wenn du weisst, welche Schritte du nach einem sexuellen Übergriff unternehmen kannst, kann dir das in einer schwierigen Lage helfen.
Inhalte:
- Was Einwilligung bedeutet
- Was tun, wenn du sexuelle Gewalt erfahren hast?
- Wenn dir eine Person anvertraut, dass sie einen sexuellen Übergriff erlitten hat.
- Massnahmen bei denen sich missbräuchliche Situationen verhindern lassen
- Missbräuchliche Beziehungen verstehen
- Wie man jemandem in einer missbräuchlichen Beziehung helfen kann
- LSBTQ*-Betroffene von sexueller Gewalt
- Warnsignale bei Teenagern
Was Einwilligung bedeutet
Einwilligung wird in der Gesetzgebung je nach Staat und Land und auch abhängig von der Situation ganz unterschiedlich eingeordnet. Das kann verwirrend sein, aber man muss kein Rechtsexperte sein, um zu verstehen, was Einwilligung im richtigen Leben bedeutet.
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Was ist mit Einwilligung gemeint?
Einwilligung ist ein Einverständnis zwischen allen Beteiligten zu einvernehmlicher sexueller Aktivität. Es gibt viele Möglichkeiten, seine Einwilligung zu geben. Einige davon werden unten besprochen. Die Einwilligung muss nicht verbal sein, aber verschiedenen sexuellen Aktivitäten verbal zuzustimmen, kann euch und eurem Partner helfen, die Grenzen des anderen zu respektieren.
Wie funktioniert das mit der Einwilligung im wirklichen Leben?
Während sexueller Aktivitäten gilt: Eine Einwilligung beruht auf Kommunikation. Und sie muss jedes Mal erfolgen. Einmal in eine Handlung einzuwilligen bedeutet nicht, weiteren oder wiederholten sexuellen Kontakten zuzustimmen. Wenn du einwilligst, jemanden zu küssen, gibt das der Person zum Beispiel keinen Freibrief dich auszuziehen. Dass du in der Vergangenheit mit jemandem geschlafen habt, gibt der Person keinen Freibrief, in Zukunft wieder mit dir zu schlafen.
Du kannst es dir jederzeit anders überlegen.
Wenn du dich nicht wohlfühlst, kannst du deine Einwilligung jederzeit wieder zurückziehen. Es ist wichtig, dass du mit deinem Partner oder deiner Partnerin kommunizierst und ihm/ihr deutlich zu verstehen gibst, dass du dich bei dieser Aktivität nicht mehr wohlfühlst und du aufhören willst. Darüber zu reden, ist die beste Methode, um sicherzustellen, dass sich beide Partner bei einer sexuellen Aktivität wohlfühlen.
Positive Beispiele für eine Einwilligung können so aussehen:
- Wenn ihr die Art oder Intensität einer sexuellen Aktivität ändert, mit Fragen wie “Ist das OK?” die Lage klären
- Ausdrücklich mit “Ja” oder einer anderen zustimmenden Aussage wie “Ich bin offen dafür, das auszuprobieren” in bestimmte Handlungen einwilligen
- Dem Partner mit körperlichen Hinweisen deutlich machen, dass man dazu bereit ist, weiter zu gehen
So sieht eine Einwilligung NICHT aus:
- Sich weigern, ein “Nein” gelten zu lassen
- Die Annahme, dass bestimmte Kleidung, Flirten oder Küssen automatisch ein Freibrief für weitere sexuelle Handlungen ist
- Jemand ist nach dem geltenden Recht zu jung, um einwilligungsfähig zu sein.
- Jemand ist aufgrund von Drogen oder Alkohol stark beeinträchtigt.
- Jemanden durch Furcht oder Einschüchterung unter Druck setzen, sexuelle Handlungen auszuführen
- Die Annahme, dass ihr die Zustimmung zu sexuellen Handlungen habt, nur weil es in der Vergangenheit sexuellen Kontakt gab
Wenn die Worte (noch) fehlen
Es kann herausfordernd sein, in bestimmten Situationen die eigenen Grenzen und Bedürfnisse klar zu kommunizieren, besonders wenn man sich unsicher fühlt. In solchen Situationen kann es – als Stressreaktion – zu einem „Freeze“-Zustand (Einfrieren, Starre) oder einer „Fawning“-Reaktion (Beschwichtigung, Gefälligsein, um Konflikte zu vermeiden) kommen. Diese Reaktionen sind kein Ausdruck von Zustimmung. Die Verantwortung für einvernehmliche sexuelle Aktivitäten liegt stets bei der Person, welche die sexuelle Interaktion initiiert oder die Intensität verändern möchte. Lerne, deine Bedürfnisse so zu formulieren, dass dein Gegenüber nachvollziehen kann, was du möchtest, und sei bereit, ein Nein zu akzeptieren. Durch klare, gegenseitige Kommunikation und die Bereitschaft, jederzeit aufzuhören, gestaltet du als Initiator/in eine einvernehmliche sexuelle Interaktion.
Wichtiger Hinweis: Die bereitgestellten Informationen stellen keine Rechtsberatung dar. Sie sollten sich im Sinne einer Rechtsberatung nicht auf die Aussagen oder Darstellungen auf dieser Website oder auf verlinkten Internetseiten verlassen. Wenn Sie eine Rechtsberatung benötigen, auf die Sie sich im Rahmen ihrer rechtlichen Angelegenheiten verlassen können, wenden Sie sich bitte an einen kompetenten, unabhängigen Anwalt.
Was tun, wenn du sexuelle Gewalt erfahren hast?
Der Heilungsprozess nach sexueller Gewalt oder sexuellem Missbrauch verläuft bei jeder Person anders. Für den Heilungsprozess gibt es keinen Zeitplan. Aber dir stehen Ressourcen zur Verfügung, die dir oder einer betroffenen Person helfen können, damit umzugehen.
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Wie du nahestehenden Menschen von einem sexuellen Übergriff erzählst
Es kann sehr schwerfallen, über Erlebnisse von sexueller Gewalt zu sprechen. Manchmal ist es am schwierigsten, solche Dinge gegenüber den Menschen anzusprechen, die einem am nächsten stehen, seien es Familienmitglieder, der Freundeskreis oder Personen, mit denen wir liiert sind. Es steht dir völlig offen, ob du anderen sofort oder erst Jahre später davon erzählst oder beschließt, es für dich zu behalten. Wenn du darüber nachdenkst, jemandem davon zu erzählen, was passiert ist, sind im Folgenden als Hilfestellung einige Dinge für dich zusammengestellt: Fragen, die du vorher abklären solltest; Tipps, wie du dich auf das Gespräch vorbereiten kannst und Möglichkeiten zum Umgang mit verständnislosen Reaktionen, sollte es dazu kommen.
Denkst du darüber nach, dich jemandem anzuvertrauen?
Es ist ganz und gar deine Entscheidung, ob du dich jemandem anvertraust, dass du einen sexuellen Übergriff erlebt hast. Es gibt keine einheitliche Lösung für alle Betroffenen – das Erlebnis und der Heilungsprozess ist für jede Person unterschiedlich. Es gibt viele verschiedene Gründe, warum Betroffene beschließen, sich jemandem anzuvertrauen. Denk daran, die Entscheidung, deine Geschichte zu erzählen, bedeutet nicht, dass du jede Einzelheit preisgeben musst – es liegt an dir, womit du dich wohlfühlst und wie viel oder wenig du erzählen willst.
Wie soll ich jemandem davon erzählen?
Über sexuelle Übergriffe zu sprechen ist nie leicht. Wenn du dich aber entschließt, jemandem von deinen Erfahrungen zu erzählen, kann es helfen, sich vorher einen Plan zurechtzulegen, wie dies ablaufen soll. Nachfolgend sind einige Vorschläge dazu, was es zu bedenken gibt, bevor du dich einem nahestehenden Menschen anvertraust.
Was? Was du über deine Erlebnis preisgeben willst, liegt völlig in deiner Hand. Wenn die Person, der du dich anvertraust, nicht weiß, wie sie reagieren soll, kann es sein, dass sie nach Worten sucht und dabei nach Einzelheiten des Vorfalls fragt. Nur weil die Person gefragt hat, bedeutet das nicht, dass du darauf eingehen misst. Du kannst immer sagen: „Ich wollte dir erzählen, was mir passiert ist, aber ich bin momentan nicht bereit, mehr ins Detail zu gehen.“
Wer? Glaubst du, dass die Person, der du dich anvertrauen willst, so wie du sie kennst, auf eine verständnisvolle Weise reagieren und dich unterstützen wird. Hast du mitbekommen, wie die Person verständnislose oder abwertende Bemerkungen in Bezug auf sexuelle Übergriffe gemacht hat, als die Thematik in den Nachrichten behandelt wurde. Hat die Person selbst über ein Erlebnis eines sexuellen Übergriffs gesprochen? Kennt sie die Person, die die Tat begangen hat? Und falls es so ist, könnte das ihre Reaktion auf deine Offenbarung des Übergriffs beeinflussen? Erlaube dir, dich einer Person anzuvertrauen, welche potentiell verständnisvoll auf dein Mitteilen reagiert.
Wann? Es ist am besten, die volle Aufmerksamkeit der Person zu haben, der man sich anvertraut. Außerdem braucht die Person Zeit, das, was ihr erzählt wurde, zu verarbeiten. Ist jemand auf dem Weg ins Bett, auf dem Sprung zu gehen oder steht unter Alkohol- oder Drogeneinfluss, solltest du vielleicht auf einen besseren Zeitpunkt für das Gespräch warten.
Wo? Wenn du dir bei der Person, der du dir anvertraust, sicher fühlst, dann ist es wahrscheinlich am besten, sich einen privaten Ort für das Gespräch zu suchen. Wenn du jedoch Angst hast, dass die Person wütend oder gewalttätig werden könnte, dann ist ein öffentlicher Ort sicherer. Außerdem kannst du eine Vertrauensperson bitten, euch zu begleiten.
Wie? Bei der Art und Weise, wie du jemandem davon erzählst, kommt es vor allem darauf an, wobei du dich am wohlsten fühlt. Das kann von Angesicht zu Angesicht, am Telefon oder in Form eines Briefes sein. Jede dieser Möglichkeiten hat positive und negative Seiten, aber letztendlich kommt es darauf an, welche Methode für dich die richtige ist. Wenn du dir zum Beispiel Sorgen machst, unterbrochen oder zu viel gefragt zu werden, dann könnte es hilfreich sein, einen Brief zu schreiben.
Egal, für welche Methode du dich entscheidest, um jemandem davon zu erzählen, ist es eine gute Idee, vorher ein paar grundsätzliche Dinge zu klären. Du könntest zum Beispiel sagen: „Ich möchte dir gerne etwas erzählen, aber es fällt mir sehr schwer, darüber zu sprechen. Es würde mir viel bedeuten, wenn du einfach nur zuhören könntest, ohne Fragen zu stellen.“
Wie du einer Person, mit der du liiert bist, von einem sexuellen Übergriff erzählst
Es kann sehr schwerfallen, einer Person, mit der man liiert ist, von einem sexuellen Übergriff zu erzählen. Dabei ist es egal, ob der Übergriff kürzlich passiert ist oder schon Jahrzehnte zurückliegt und ob ihr euch gerade erst kennengelernt habt oder schon seit vielen Jahren zusammen seid. Du bist nicht verpflichtet, einer Person, mit der du liiert bist, jemals von sexuellen Übergriffen zu erzählen, aber wenn ihr miteinander intim werdet, kann es beiden helfen, zu verstehen, womit ihr euch wohlfühlt und was ihr aufgrund eurer durchgemachten Erfahrungen lieber vermeiden wollt. Wenn du
während des Sex von Gefühlen überwältigt wirst oder Flashbacks hast, kann es hilfreich sein, den anderen einzuweihen. Erkläre der Person, wie sie dich in diesen Situationen unterstützen kann.
Mit der Person, mit der du liiert bist, darüber zu reden, bei welchen Sexualpraktiken oder Situationen du dich unwohl fühlst, bedeutet nicht, dass du der Person irgendwelche Einzelheiten über das, was
passiert ist, preisgeben musst. Wenn du dir unsicher bist, wie du das Thema ansprechen sollst, könntest du zum Beispiel sagen: „Ich bin noch nicht soweit, dass ich in allen Einzelheiten darüber sprechen kann, aber ich wollte dir sagen, dass ich ____ nicht machen möchte, weil mir in der Vergangenheit etwas sehr Schlimmes passiert ist. Ich würde stattdessen lieber ____.“
Emotionen der Person, der man sich anvertraut
Du hast es verdient, dass man dir zuhört und dich unterstützt, wenn du beschließt, deine Geschichte zu erzählen. Tatsächlich ist es jedoch so, dass das Gespräch manchmal nicht so verläuft, wie man es sich erhofft. Manche Leute wissen nicht, wie sie reagieren sollen, auch wenn sie die besten Absichten haben.
Menschen, die Betroffenen nahestehen, machen oft eine ganze Bandbreite an Emotionen durch, wenn sie erfahren, dass jemand, der ihnen am Herzen liegt, Opfer sexueller Gewalt wurde. Einige Betroffene haben das Gefühl, dass letztendlich sie der Person, der sie sich anvertrauen, emotional zur Seite stehen müssen, was für den Heilungsprozess nicht unbedingt hilfreich ist.
Hier sind einige der Emotionen, die eine Person, mit der du redest, möglicherweise empfindet:
- Wut. Häufig werden die Menschen, denen man sich anvertraut, wütend auf die Person, die die Tat begangen hat, und äußern vielleicht das Bedürfnis, sich an der Person zu rächen. Das ist eine natürliche Reaktion, aber nicht unbedingt hilfreich.
- Verwirrung. Manchmal hat die Person, der man sich anvertraut, so viel Angst etwas Falsches zu sagen, dass sie versucht, Zeit zu gewinnen, indem sie viele Fragen zu dem Übergriff, und wie es dazu kam, stellt. Diese Fragen können sich oft so anhören, als würde die Person dich für das Geschehene verantwortlich machen oder als würde sie andeuten, dass du den Übergriff durch ein anderes Verhalten hättet verhindern können. Falls das bei dir so ankommt, vermittelt dies der Person – und erinnert sie daran, dass das Beste ist, was sie für dich tun kann, einfach unterstützend für dich da zu sein.
- Angst. Menschen, die dir nahestehen, haben vielleicht Angst um deine Sicherheit und entwickeln einen extremen Beschützerinstinkt. Es ist völlig in Ordnung, dass sie helfen wollen, aber eine übertriebene Fürsorglichkeit kann Betroffenen von sexueller Gewalt das Gefühl geben, keine Kontrolle über ihre eigenen Entscheidungen zu haben.
- Frustration. Es kann sein, dass sich Menschen, denen du am Herzen liegt, ohnmächtig fühlen, dir zu helfen. Aber der Heilungsprozess ist für jeden Betroffenen anders und kann sehr lange dauern. Es ist wichtig, dass die Personen, die dich unterstützen, Geduld aufbringen.
- Schuldgefühle. Es kann sein, dass Menschen, die dir nahestehen, Schuldgefühle haben oder sich für das, was passiert ist, verantwortlich fühlen, auch wenn sie es gar nicht sind. Vielleicht denken sie immer wieder darüber nach, wie sie das Geschehene hätten verhindern können. Doch die einzig Verantwortliche ist die Person, die die Tat begangen hat.
- Schock. Es ist völlig natürlich, geschockt und verstört zu sein, dass jemand, der einem nahesteht, Opfer sexueller Gewalt wurde. Für Betroffene kann sich das jedoch so anhören, als würde man ihnen keinen Glauben schenken.
Verständnisvolle und verständnislose Reaktionen
Wenn jemand auf eine verständnisvolle Weise reagiert, kann das ein wichtiger Schritt im Heilungsprozess sein und dazu beitragen, dass man sich sicher genug fühlt, sich weiteren Leuten anzuvertrauen. Aber auch wenn alles gut läuft, wenn du dich jemandem anvertraut, kann das eine sehr emotionale Erfahrung sein – und das ist völlig in Ordnung. Manchmal kann es schmerzhafte Erinnerungen wachrufen, seine Geschichte zu erzählen. Das ist ein natürlicher Vorgang. Denk daran, für jeden Betroffenen verläuft der Heilungsprozess unterschiedlich.
Beispiele für verständnisvolle Reaktionen auf eine Offenbarung von Übergriffen:
- • Die Person hört dir zu, ohne zu urteilen.
- • Die Person unterstützt dich mit Aussagen wie:
- „Ich glaube dir.“
- „Es ist nicht deine Schuld.“
- „Du bist nicht alleine.“
- „Es tut mir leid, dass dir das passiert ist.“
- „Du bist mir wichtig und ich bin für dich da, um dir zuzuhören oder dir auf jede erdenkliche Weise zu helfen.“
Es kann sehr verletzend sein, wenn eine Vertrauensperson verständnislos reagiert. Wenn du keine verständnisvolle Reaktion erhälst, ist es wichtig, daran zu denken, dass das nur etwas über die andere Person aussagt und nicht über dich.
Beispiele für verständnislose Reaktionen auf eine Offenbarung von Übergriffen:
- Die Person hat Zweifel an deiner Geschichte oder hinterfragt sie.
- Die Person fragt, was du angehabt oder gemacht hast, als es zu dem Übergriff kam, und sorgt so dafür, dass du dich schämst oder Schuldgefühle bekommst.
- Die Person sagt, dass du längst darüber hinweggekommen sein solltet.
Es kann besonders schwerfallen, sich einem Familienmitglied anzuvertrauen, wenn die Person, die die Tat begangen hat, ebenfalls zur Familie gehört.
Tipps für den Umgang mit verständnislosen Reaktionen
Die Person, der du dich anvertraut hast, unterstützt dich vielleicht nicht so, wie du es brauchst, aber denkt daran, dass du nicht alleine bist. Wenn du jemanden zum Reden brauchst, der dir helfen kann, gibt es verschiedene Hotlines, an die du dich wenden kannst.
Wenn jemand, den du kennst, dich nicht unterstützt, bedeutet das nicht, dass es nicht andere Menschen gibt, die für dich da sind. Auch wenn es völlig an dir liegt, ob du dich noch einmal jemandem anvertraust und falls ja, wem, empfehlen wir, dass du gut zu dir bist und dich, so gut es geht, um deine eigenen Bedürfnisse kümmerst. Hört auf deine eigenen Gefühle und denke über Aktivitäten nach, mit denen du dich um dich selbst kümmern kannst, um dir Halt zu geben und dafür zu sorgen, dass es dir besser geht.
Wenn dir eine Person anvertraut, dass sie einen sexuellen Übergriff erlitten hat.
Darüber zu sprechen ist schwierig. Die erste Reaktion der Person (oft eine Freundin bzw. ein Freund oder ein Familienmitglied), der sich Betroffene anvertrauen, kann einen immensen Einfluss auf den Heilungsprozess haben. Hier erfährst du, wie du Betroffene unterstützen kannst.
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Tipps für Gespräche mit Betroffenen sexueller Gewalt
Gerade dann, wenn es sich um Freundinnen, Freunde oder Familienmitglieder handelt, ist es nicht immer leicht, die richtigen Worte zu finden, wenn eine Person einem von einem sexuellen Übergriff berichtet. Für die Betroffenen kann es sehr schwer sein, sich einem nahestehenden Menschen zu öffnen. Daher solltet ihr euer Gegenüber in einem solchen Gespräch keinesfalls verurteilen oder kritisieren. Du kannst der betroffenen Person helfen, indem du beispielsweise den Kontakt zu einer örtlichen Hotline herstellst, mit ihr eine ärztliche Praxis aufsuchst oder sie zur Polizei begleitest, um den Vorfall anzuzeigen. Einfach zuhören ist für Betroffene jedoch oft die beste Art der Unterstützung.
Im Folgenden findest du einige spezifische Äußerungen, durch die du den Heilungsprozess deines Gegenübers womöglich unterstützen kannst.
„Ich glaube dir. Es war sicherlich nicht einfach, mir davon zu erzählen.“
Es kann Betroffenen unglaublich schwerfallen, sich dazu zu überwinden, ihre Geschichte zu erzählen. Sie kämpfen vielleicht mit Schamgefühlen oder machen sich Sorgen, dass man ihnen keinen Glauben schenkt oder ihnen die Schuld gibt. Überlasse Ermittlungen oder Fragen nach dem Warum den Fachleuten und konzentriere dich nur darauf, dein Gegenüber zu unterstützen. Ein äußerlich ruhiges Auftreten der betroffenen Person ist keinesfalls so zu deuten, dass der Übergriff nicht stattgefunden hat. Jede Person verarbeitet traumatische Ereignisse auf eine andere Weise. Das Wichtigste, was du tun kannst, ist, der betroffenen Person Glauben zu schenken.
„Es war nicht deine Schuld. Du hast nichts getan, um das zu verdienen.“
Betroffene geben sich besonders dann, wenn sie den Täter oder die Täterin persönlich kennen, womöglich selbst die Schuld. Erinnere die betroffene Person – vielleicht auch mehrmals – daran, dass sie keine Schuld trifft.
„Du bist nicht allein. Du bist mir wichtig und ich bin für dich da, um dir zuzuhören oder dir auf jede erdenkliche Weise zu helfen.“
Vermittetle der betroffenen Person, dass du für sie da bist und bereit bist, dir die Geschichte anzuhören, falls die Person gewillt ist, sich dir anzuvertrauen. Finde heraus, ob sie Menschen in ihrem Leben hat, denen sie sich anvertrauen kann, und erinnere sie daran, dass es Beratungsstellen gibt, die sie bei dem Heilungsprozess unterstützen können.
„Es tut mir leid, dass dir das passiert ist. Das hätte dir nicht passieren dürfen.“
Vermittetle, dass das Leben der Person durch das Erlebnis beeinträchtigt wurde. Durch Aussagen wie „Das muss echt hart für dich sein“ und „Ich bin so froh, dass du dich mir anvertraust“ kannst du dein Mitgefühl zum Ausdruck bringen.
Weitere Unterstützung
Der Heilungsprozess nach einem sexuellen Übergriff ist bei jeder Person anders. Wenn dir eine Person genug vertraut, um dir von dem Vorfall zu erzählen, könntest ihr durch die folgenden Schritte deine fortwährende Unterstützung deutlich machen:
- Verurteile die Person nicht. Es kann schwer sein mitzuerleben, wie ein Opfer über einen langen Zeitraum mit den Folgen des sexuellen Übergriffes zu kämpfen hat. Gebe der Person durch Sätze wie „Du verhältst dich jetzt schon so lange so“ oder „Wie lange willst du dich denn noch schlecht fühlen?“ auf keinen Fall den Eindruck, dass sie deiner Meinung nach zu lange braucht, um darüber hinwegzukommen.
- Melde dich regelmäßig, um zu sehen, wie es der Person geht. Auch wenn sich der Vorfall schon vor langer Zeit ereignete, heißt das nicht, dass der Schmerz vorüber ist. Lass die Person regelmäßig wissen, dass dir ihr Wohlbefinden am Herzen liegt und du sie ernst nimmst.
- Es gibt Hilfe. So wohltuend deine Unterstützung auch sein mag, heißt das nicht, dass du die ganze Verantwortung für das Wohlergehen eines Menschen übernehmen kannst. Erkundige dich also nach Hilfsleistungen, die du der Person empfehlen kannst, so z. B. eine landesweite Hotline oder eine Beratungsstelle für Opfer sexueller Übergriffe vor Ort.
Solltest du oder eine Person in eurem Freundeskreis sexueller Gewalt zum Opfer gefallen sein, trifft dich keine Schuld. Du bist nicht allein!
Massnahmen bei denen sich missbräuchliche Situationen verhindern lassen
Alle können dazu beitragen, sexuelle Übergriffe zu verhindern. Wenn du jemanden siehst, der gefährdet ist, gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, einzuschreiten oder eine unerfreuliche Situation abzuwenden. Dieses Vorgehen zur Verhinderung von sexuellen Übergriffen wurde für das Einschreiten in Hilfesituationen entwickelt.
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Wie kann ich zur Verhinderung von sexuellen Übergriffen beitragen?
Wenn dir die Sicherheit deiner Freundinnen und Freunde am Herzen liegt, ist es wichtig, zu lernen, wie man am besten eingreifen kann. Dabei kommt es auf die Situation an und wie es dir dabei geht. Folgendes Wissen kann dir dabei helfen, das nötige Selbstvertrauen aufzubringen, um einzuschreiten, wenn etwas nicht stimmt. Einzuschreiten kann einen riesigen Unterschied machen, aber du solltest dich nie selbst in Gefahr bringen.
Für ein Ablenkungsmanöver sorgen
Tu, was du kannst, um die Situation zu unterbrechen. Ein Ablenkungsmanöver kann der gefährdeten Person die Gelegenheit geben, sich in Sicherheit zu bringen.
- Unterbreche die Unterhaltung mit einem Einwurf wie „Lass uns Pizza holen, ich bin am Verhungern” oder „Diese Party ist öde. Lass uns woanders hingehen”.
- Serviere frisches Essen oder Getränke und biete sie allen auf der Party an, auch denjenigen, um die du dir Sorgen machst.
- Starte eine Aktivität, die Leute zusammenbringt, wie beispielsweise ein Spiel, eine Diskussion oder eine Tanzparty.
Direkt nachfragen
Rede direkt mit der Person, die in Gefahr sein könnte.
- Stelle Fragen wie „Mit wem bist du hier?“ oder „Willst du, dass ich bei dir bleibe?”.
An eine Autoritätsperson wenden
Manchmal ist die sicherste Methode, um einzugreifen, das Einschalten einer neutralen Person, die die Autorität hat, die Situation zu entschärfen, wie z. B. eine Aufsichtsperson.
- Spreche eine Aufsichtsperson, Bartender oder anderen Angestellten auf eure Befürchtungen an. Es liegt in derem eigenen Interesse, dafür zu sorgen, dass ihre Gäste sicher sind, also sind sie gewöhnlich gewillt, einzugreifen.
- Zögere nicht, 110 oder die örtliche Notrufnummer anzurufen, wenn du dir Sorgen um die Sicherheit einer anderen Person machst.
Mitstreiter suchen
Es kann ganz schön Furcht einflößend sein, sich solch einer Situation ganz alleine zu stellen. Suche dir eine andere Person zur Unterstützung.
- Bitte jemanden, dich zu begleiten, wenn du die gefährdete Person ansprichst. Gemeinsam ist man stark, wenn es darum geht, seinen Befürchtungen Ausdruck zu verleihen.
- Bitte jemanden, an deiner Stelle einzugreifen. Du könntest zum Beispiel jemanden, der die gefährdete Person kennt, bitten, sie auf die Toilette zu begleiten.
- Sprich eine Freundin oder einen Freund der Person an, um die du dir Sorgen machst. „Dein Freund/deine Freundin scheint eine Menge getrunken zu haben. Kannst du mal nach ihm/ihr sehen?”
Euer Eingreifen zählt: Egal, ob es dir am Ende gelungen ist, den Ausgang der Situation zu verändern, trägst du durch dein Eingreifen dazu bei, dass andere Leute ihre eigene Rolle bei der Verhinderung von sexuellen Übergriffen überdenken. Wenn du den Verdacht hast, dass jemand, den du kennst, Opfer eines sexuellen Übergriffs wurde, gibt es Möglichkeiten, diese Person zu unterstützen und deine Anteilnahme zu zeigen.
Missbräuchliche Beziehungen verstehen
Missbräuchliche Beziehungen sind ein komplexes Thema mit unterschiedlichsten Facetten – die Grundlagen davon zu verstehen, kann dabei helfen, die passende Unterstützung zu finden. Erfahre mehr über missbräuchliche Beziehungen und die verschiedenen Formen, die sie annehmen können.
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Beziehungen haben ein breites Spektrum – von gesunden bis zu missbräuchlichen Beziehungen, wobei ungesunde Beziehungen ungefähr in der Mitte liegen. Missbräuchliche Beziehungen – auch als Beziehungsgewalt oder häusliche Gewalt bezeichnet – sind ein Verhaltensmuster, das eine Person aufweist, um Macht und Kontrolle über einen Partner/ eine Partnerin zu erlangen oder zu behalten. Es gibt viele Arten von Missbrauch, und in einer missbräuchlichen Beziehung tritt dieser in mehr als nur einer Form auf.
Gesund
Eine gesunde Beziehung ist von folgenden Merkmalen geprägt:
- Kommunikation
- Respekt
- Vertrauen
- Ehrlichkeit
- Gleichberechtigung
- Genießen persönlicher Auszeiten voneinander
- Gemeinsames Treffen von Entscheidungen
- Finanzielle Partnerschaft
Ungesund
Folgende Merkmale können Anzeichen einer ungesunden Beziehung sein:
- Fehlende Kommunikation
- Mangel an Respekt
- Mangel an Vertrauen
- Unehrlichkeit
- Versuch, den Partner/ die Partnerin zu kontrollieren
Missbräuchlich
In einer missbräuchlichen Beziehung zeigt der Partner/ die Partnerin folgende Verhaltensweisen:
- Bedrohliche oder verletzende Kommunikation
- Misshandlung
- Falsche Beschuldigung der Untreue
- Leugnen, dass das eigene Verhalten missbräuchlich ist
- Kontrolle
- Isolieren des Partners/ der Partnerin von
- Anderen
Arten von Missbrauch
Hier sind einige der am häufigsten gemeldeten Arten von Missbrauch – jede Art von Missbrauch ist schädlich und hat ernste Folgen für die Betroffenen.
Körperlicher Missbrauch: Die Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, um den Partner/ die Partnerin zu kontrollieren. Beispiele sind das Werfen von Gegenständen auf Betroffene, rücksichtsloses Fahren und Gefährdung von Fahrgästen oder Eigentum, Schläge und Ohrfeigen, erzwungener Drogenkonsum oder die Verweigerung der Inanspruchnahme von Notdiensten/ medizinischen Diensten.
Emotionaler/ verbaler Missbrauch: Der Einsatz von Worten und Verhaltensweisen zum Zwang, zur Manipulation, Kontrolle oder Verletzung von Betroffenen. Beispiele hierfür sind Beschimpfungen, Bedrohung von Betroffenen, ihrer Kinder, Familie oder Haustiere, Schuldzuweisung an Betroffene, Nötigung oder Einschüchterung, bestimmte Dinge zu tun oder nicht zu tun.
Sexueller Missbrauch: Nötigung von Personen zu sexuellen Handlungen oder Interaktionen, die ihnen unangenehm sind oder denen sie nicht zustimmen. Eine Taktik, die bisweilen vorkommt, ist die reproduktive Nötigung, bei der der Partner/ die Partnerin über den Zugang zu reproduktiver Gesundheitsfürsorge entscheidet und/ oder ihn einschränkt (z. B. Verweigerung der Verhütung oder Sabotage von Verhütungsmethoden).
Finanzieller/ wirtschaftlicher Missbrauch: Wenn der Partner/ die Partnerin Macht über die Finanzen ausübt. Beispiele dafür sind die Einbehaltung der Gehaltszahlungen von Betroffenen, die Beschränkung auf ein Haushalts- oder Taschengeld, die Weigerung, ihnen Geld für Grundbedürfnisse zu geben, die erzwungene Gewährung finanzieller Unterstützung, die Verursachung der Entlassung von Betroffenen oder die Manipulation ihrer Arbeitsstelle oder Kreditwürdigkeit.
Digitaler Missbrauch: Der Einsatz von Technologie und Internet zum Schikanieren, Belästigen, Stalken, Einschüchtern oder Kontrollieren des Partners/der Partnerin. Dieses Verhalten ist oft eine Form von verbalem oder emotionalem Missbrauch, der online stattfindet. Beispiele hierfür sind die Kontrolle der Nutzung sozialer Medien durch die Betroffenen, das Durchsuchen des Telefons, um Anrufe und versandte SMS zu überprüfen, das Erzwingen der Weitergabe von Passwörtern für soziale Medien, das Smartphone oder den Computer der Betroffenen oder der Einsatz von Technologie, um ihnen nachzuspionieren.
Warnzeichen
Es gibt viele verschiedene Warnsignale und Anzeichen für Missbrauch und es ist wichtig, diese zu erkennen. Folgende Taktiken werden häufig von misshandelnden Personen eingesetzt:
- Das sogenannte Love Bombing, bei dem der Partner/die Partnerin zu Beginn der Beziehung zunächst mit Liebe überhäuft und mit teuren Geschenken beeindruckt wird, bevor die misshandelnde Person ihr wahres Gesicht zeigt.
- Dem Partner/der Partnerin wird vorgeworfen, nichts richtig zu machen.
- Hinderung eigener Entscheidungen, u. a. im Hinblick auf Arbeit oder Schulbesuch.
- Kontrolle über die Finanzen im Haushalt ohne Diskussion, einschließlich der Aneignung von Geld der Betroffenen oder der Vorenthaltung von Geld für notwendige Ausgaben.
- Einschüchterung durch drohende Blicke oder Handlungen.
- Drohungen, Kindern oder Haustieren etwas anzutun oder sie wegzunehmen.
- Androhung, Familie oder Freunde zu informieren, dass Betroffene LGBTQ sind.
Beziehungen sind einzigartig und das Spektrum reicht von gesunden über ungesunde bis hin zu missbräuchlichen Beziehungen. Verschiedene Faktoren wie sozioökonomischer Status, ethnische Zugehörigkeit, Geschlechtsidentität oder sexuelle Orientierung können sich auf eine missbräuchliche Beziehung auswirken und Hindernisse für den Erhalt von Unterstützung schaffen.
Manche Menschen verfügen beispielsweise nicht über die finanziellen Mittel, um ihren misshandelnden Partner/ ihre Partnerin zu verlassen. Andere haben möglicherweise Bedenken, die Strafverfolgungsbehörden anzurufen, oder haben aufgrund ihres Einwanderungsstatus Angst, sich anderen anzuvertrauen.
Worauf zu achten ist
Wenn man erst einmal erkannt hat, dass in einer Beziehung etwas Ungesundes oder Missbräuchliches vor sich geht, kann es schwierig sein zu entscheiden, wie am besten vorzugehen ist. Hier sind einige Dinge, über die man bei missbräuchlichen Beziehungen nachdenken sollte:
Jeder kann zum Opfer häuslicher Gewalt werden.
Viele Leute haben eine vorgefasste Meinung darüber, wer häusliche Gewalt erlebt. Sie nehmen oft an, dass vor allem Frauen betroffen sind, die ungebildet oder arm sind, und dass es nie ihnen selbst oder jemandem, den sie kennen, passieren könnte. Sogar Betroffene glauben manchmal, dass sie etwas falsch gemacht haben und ihre Behandlung verdient haben, aber es gibt keine Rechtfertigung für Missbrauch. Missbrauch ist letztlich eine Entscheidung, die eine Person trifft, um den Partner/ die Partnerin zu kontrollieren und ihm/ ihr zu schaden. Die Betroffenen tragen dabei keine Schuld. Stigmatisierung, Scham und Schuldgefühle sind bei Betroffenen weit verbreitet – auch wenn das nicht so sein sollte. Missbrauch ist niemals in Ordnung und niemals die Schuld der Betroffenen.
Häusliche Gewalt betrifft Menschen aus allen Gesellschaftsschichten, unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit, Religion, sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität oder sozioökonomischem Status. Es spielt keine Rolle, wo Leute leben, wie viel Geld sie verdienen oder wie gebildet sie sind.
Sicherheit kommt an erster Stelle.
Missbräuchliche Beziehungen können uns in vielerlei Hinsicht beeinträchtigen – von unserer physischen Sicherheit bis hin zu unserem emotionalen, geistigen oder finanziellen Wohlbefinden.
Wenn du selbst von Missbrauch betroffen bist, ist es wichtig, dass du dich vorrangig darum kümmerst, wie du dich schützen kannst. Viele Betroffene haben Angst, dass ihr Partner/ ihre Partnerin verletzt werden könnte oder in Schwierigkeiten gerät, und das kann sie dazu veranlassen, keine Maßnahmen zu ergreifen, die ihre eigene Sicherheit erhöhen würden. Vertraue darauf, dass du selbst weisst, was für dich am besten ist, und wende dich an Vertrauenspersonen, die dir bei deinen Anliegen unterstützen könnte. Hier sind einige Anregungen zum Thema Sicherheit.
Physische Sicherheit: Du solltest wissen, wie du dich am schnellsten aus einer Situation entfernen kannst, wenn dein Partner/ deine Partnerin anfängt, gewalttätig zu werden. Das könnte bedeuten, dass du durch eine Hintertür verschwindest oder dich in einen belebteren Bereich begibst, wo die Wahrscheinlichkeit geringer ist, dass dir etwas angetan wird. Falls du nicht weglaufen kannst, solltest du dich klein machen, indem du dich in eine Ecke kauerst und empfindliche Stellen wie deinen Kopf schützt.
Emotionale Sicherheit: Spreche mit hilfsbereiten Freunden, Familienmitgliedern oder Vertrauenspersonen an einem privaten Ort, damit die misshandelnde Person nicht weiß, dass du Unterstützung erhältst.
Digitale Sicherheit: Löscht alle an Vertrauenspersonen geschickten Nachrichten, die der misshandelnde Partner/ die Partnerin sehen könnte. Außerdem solltest du deinen Internetverlauf löschen, der möglicherweise Programme oder Organisationen zeigt, die bei Missbrauch helfen.
Wirtschaftliche Sicherheit: Wenn möglich, kann ein privates Bankkonto, von dem der misshandelnde Partner/ die Partnerin nichts weiß, dabei helfen, Geld für eigene Zwecke beiseitezulegen. Eine weitere Möglichkeit wäre, Freunde oder Verwandte zu bitten, Geld für dich aufzubewahren, falls ein Notfall eintritt.
Einschaltung der Polizei.
Bei einer eventuellen Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden sollte unbedingt berücksichtigt werden, was am besten für die Betroffenen ist. Wenn wir von Missbrauch hören, ist unser erster Instinkt oft, die Polizei oder den Notruf anzurufen. Wenn euch oder einer euch bekannten Person Missbrauch widerfährt, ist es wichtig (wenn möglich), zunächst darüber zu sprechen, ob ihr die Polizei einschalten wollt oder nicht. Aus verschiedenen Gründen ist es nicht allen Menschen recht, wenn die Polizei hinzugezogen wird. Die Beteiligung der Polizei kann je nach Situation unterschiedlich ausfallen und in manchen Fällen den Missbrauch sogar eskalieren. Daher ist es wichtig, dass ihr Vertrauenspersonen habt, mit denen ihr die Vor- und Nachteile einer Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden besprechen könnt.
Selbstfürsorge praktizieren.
Dies ist sowohl für Betroffene als auch für unterstützende Freunde oder Familienmitglieder wichtig.
Hier sind einige Anregungen zur Selbstfürsorge:
Beruhigende Übungen durchführen. Traumatische Erlebnisse können oft überwältigende Emotionen oder Erinnerungen auslösen, die in uns aufkommen. Sie können uns in eine frühere Zeit zurückversetzen, in der wir selbst missbraucht wurden, oder in eine Zeit, in der wir Missbrauch hautnah beobachtet haben. Der Einsatz beruhigender Übungen kann dabei helfen, in den gegenwärtigen Moment zurückzukehren, in dem man sicherer und in einer besseren Situation ist.
Hier ist eine einfache Übung, die du ausprobieren kannst:
- Atme langsam durch die Nase ein und zähle dabei bis fünf.
- Halte den Atem an und zähle bis drei.
- Atme so langsam wie möglich aus dem Mund aus und zähl dabei bis fünf.
- Wiederhole diese langsamen, tiefen Atemzüge so oft wie nötig.
Du kannst dabei auch ein Mantra verwenden, das du laut aussprichst, um dich daran zu erinnern, dass du in Sicherheit bist. Dieses Mantra könnte beispielsweise „Ich bin jetzt sicher“ lauten. Wähle etwas, das dich entspannt und beruhigt.
Etwas anderes tun. Wenn wir getriggert werden, kann es helfen, etwas anderes zu tun. Diese Abwechslung kann uns helfen, unseren Körper auf andere Weise zu bewegen, um mit Stress umzugehen, oder uns in eine Stimmung versetzen, die es uns ermöglicht, uns auf etwas anderes zu konzentrieren. Es gibt viele Dinge, die du ausprobieren kannst, wie z. B. Spazierengehen, Meditation, Malen/Zeichnen oder sportliche Betätigung.
Unterstützung finden. Eine missbräuchliche Beziehung zu durchleben, ist stressig und überwältigend. Wenn ihr euch allein oder hilflos fühlt, kann dies zu einem weiteren Hindernis werden, bevor ihr euch sicher fühlen könnt. Du fühlst dich vielleicht weniger allein, wenn du Unterstützung in Anspruch nimmst – sei es durch Freunde, Familie, eine religiöse Organisation oder eine Selbsthilfegruppe für häusliche Gewalt. Vertrauenspersonen können eine wichtige Stütze für Betroffene sein. Sie können dir dabei helfen, Missbrauch emotional zu verarbeiten, oder dich dabei unterstützen, den Missbrauch zu dokumentieren, dich an einen sichereren Ort bringen oder die Verbindung zu Hilfsangeboten herstellen.
Wie man jemandem in einer missbräuchlichen Beziehung helfen kann
Es kann schwierig sein mitzubekommen, dass sich ein Freund/eine Freundin oder ein Familienmitglied in einer missbräuchlichen Beziehung befindet. Informiere dich darüber, wie du Betroffene am besten unterstützen kannst.
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Der Verdacht, dass ein Freund/eine Freundin oder ein Familienmitglied von einer missbräuchlichen Beziehung (auch bekannt als Beziehungsgewalt oder häusliche Gewalt) betroffen sein könnte, ist schwierig, und es ist Betroffenen und ihrem Umfeld oft nicht klar, was sie als Nächstes tun sollen. Freunde und Familienmitglieder erkennen manchmal vor allen anderen, was vor sich geht – noch bevor Betroffene den Mut fassen, sich anderen anzuvertrauen.
Hier sind einige typische Warnzeichen, die auf eine missbräuchliche Beziehung hindeuten können:
- Betroffenen wird vorgeworfen, dass sie nichts richtig machen.
- Extreme Eifersucht auf Freunde oder Familienmitglieder von Betroffenen bzw. wenn Betroffene Hobbys nachgehen oder alleine Zeit verbringen.
- Betroffene werden davon abgehalten, Zeit mit der Familie, Freunden oder Kollegen zu verbringen.
- Betroffene werden daran gehindert, eigene Entscheidungen zu treffen, u. a. in Bezug auf Arbeit oder Schulbesuch.
- Nutzung eines Smartphones, um den Aufenthaltsort von Betroffenen zu überprüfen bzw. um ihnen bei einem Treffen mit Anderen nachzuspionieren.
- Kontrolle über die Finanzen im Haushalt ohne Zustimmung der Betroffenen, einschließlich der Aneignung ihres Geldes oder der Vorenthaltung von Geld für notwendige Ausgaben.
- Betroffene werden unter Druck gesetzt, Sex zu haben oder sexuelle Handlungen zu vollziehen, mit denen sie nicht einverstanden sind.
Missbrauch zu erkennen ist eine Sache, darüber zu sprechen eine andere. Wenn du glaubst, dass eine dir bekannte Person unter Missbrauch leidet, findest du hier einige Tipps, wie du mit dieser Person über deine Bedenken sprechen kannst. Diese Tipps können dabei helfen, Betroffene bestmöglich zu unterstützen und gleichzeitig ihre Sicherheit zu gewährleisten.
Sprich möglichst allein mit der Person. Es kann schwierig sein, mit jemandem über missbräuchliche Beziehungen zu sprechen. Wenn möglich, ist es am besten, mit Betroffenen unter vier Augen und in Abwesenheit des Partners/ der Partnerin zu sprechen. Es könnte sich anbieten, Betroffene anzurufen, wenn man weiß, dass der Partner/ die Partnerin nicht da ist. Vielleicht kann man auch ein persönliches Treffen arrangieren, um unter vier Augen zu sprechen.
Konzentriere dich beim Gespräch auf die beobachteten Verhaltensweisen, NICHT auf die Person selbst. Wenn jemandem, der uns wichtig ist, wehgetan wird, ist es ganz natürlich, dass wir die betroffene Person verteidigen und wütend auf die Person sind, die dafür verantwortlich ist. Vielleicht möchten wir den Partner/ die Partnerin beschimpfen oder zurechtweisen und zwingen, die betroffene Person besser zu behandeln. Leider hat das nur selten Erfolg. Denkt daran, dass Betroffene möglicherweise weiterhin Liebe, Verbundenheit und Mitgefühl für die Person verspüren, die ihnen Schaden zufügt. Das ist völlig normal. Wenn ihr den Partner/ die Partnerin schlecht redet, könnte das dazu führen, dass die betroffene Person euch in Zukunft nicht mehr um Hilfe bittet.
Wenn du eine von Missbrauch betroffene Person auf dieses Problem ansprichst, solltest du dich auf die verletzenden Worte oder Verhaltensweisen konzentrieren, die du bemerkt hast. Wenn wir die misshandelnde Person dabei beschimpfen oder darüber sprechen, wie sehr wir sie hassen, nehmen Betroffene sie möglicherweise in Schutz.
Wenn du dich stattdessen auf das Verhalten und nicht auf die Person konzentrierst, kannst du Betroffenen besser klarmachen, dass die aktuelle Situation nicht in Ordnung ist und sie etwas Besseres verdienen. Hier ist ein Beispiel:
„Ich habe den Eindruck, dass dich dein Partner/deine Partnerin immer schlecht macht und dich beschimpft, wenn ihr euch streitet. Streiten ist völlig normal, aber es ist wichtig, dass man vernünftig über das Problem redet, statt nur zu schreien und den anderen zu beleidigen. Hast du das Gefühl, dass dein Partner/ deine Partnerin versucht, deinen Standpunkt zu verstehen?“
„Es kann durchaus vorkommen, dass jemand wütend oder aufgebracht ist, aber das ist keine Entschuldigung dafür, dass jemand dir gegenüber handgreiflich wird! Das ist ziemlich beängstigend, wenn das passiert. Wie fühlst du dich dabei, wenn dein Partner/ deine Partnerin Dinge durch die Gegend wirft, wenn er/sie wütend ist?“
So kannst du das Gespräch beginnen:
Ich habe in deiner Beziehung ein paar Dinge bemerkt, die mir Sorgen machen. Niemand verdient es, so behandelt zu werden. Geht das schon länger so?
Wenn du mit einer Person in einer missbräuchlichen Beziehung sprichst, ist es wichtig, dass du dich dabei auf die Dinge konzentrierst, die der Person widerfahren, und nicht die verantwortliche Person angreift. Die Gefühlsdynamik in einer missbräuchlichen Beziehung kann komplex sein und solche Gespräche könnten Betroffene in die Defensive drängen und sie dazu veranlassen, ihren Partner/ ihre Partnerin zu verteidigen. Achte also darauf, dass du dich nicht auf die Person konzentriert, sondern darauf, wie deren Verhalten dem/ der Betroffenen schadet oder warum es falsch ist.
Du solltest Betroffene bei Gesprächen über ihre Beziehung immer unterstützen, nicht beschuldigen oder beurteilen. Versichert ihnen, dass sie nicht am Verhalten des Partners/ der Partnerin schuld sind und dass niemand Respektlosigkeit, Schikanen oder Missbrauch verdient. Sei nicht enttäuscht, wenn Betroffene zunächst nicht offen darüber sprechen möchten. Es ist wichtig, dass du ihnen bei solchen Gesprächen nicht die Schuld gibst oder überreagierst. Es kann sein, dass es mehrere Versuche braucht, bis Betroffene sich sicher genug fühlen, um sich jemandem anzuvertrauen. Es ist wichtig, dass du nichts forciert und Betroffenen mit Verständnis begegnest.
Wie läuft es mit deiner Beziehung? Mir ist aufgefallen, dass eure Unterhaltungen manchmal ein bisschen aggressiv werden. Wie fühlst du dich dabei, wenn das passiert?
Es ist wichtig, dass man sich im Freundes- und Familienkreis regelmäßig untereinander verständigt und sich nach dem Wohlbefinden der Anderen erkundigt. Du kannst die Situation besser einschätzen, wenn du nachfragst, wie es so läuft. Fragen dazu, wie sich Betroffene während der missbräuchlichen Verhaltensweisen fühlen, können ihnen eine bessere Einschätzung der eigenen Beziehungsdynamik ermöglichen. Wenn dabei herauskommt, dass sich der/ die Betroffene durch diese Verhaltensweisen überfordert, missachtet oder verletzt fühlt, ist dies ein Anzeichen dafür, dass mit der Beziehung etwas nicht stimmt. Du kannst Betroffene daran erinnern, dass der Partner/ die Partnerin ihnen das Gefühl geben sollte, unterstützt und geliebt zu werden, statt sie zu missachten oder zu verärgern. Dies kann sie zu der Einsicht führen, dass mit der aktuellen Situation etwas nicht stimmt.
Ich glaube dir und es tut mir echt leid, dass dir das passiert. Wie kann ich dir helfen?
Es ist wichtig, dass Betroffene wissen, dass man ihnen glaubt. In einer missbräuchlichen Beziehung kommt es oft zum Gaslighting, wobei der Partner/ die Partnerin Betroffene an ihren eigenen Gefühlen, Instinkten oder am eigenen Verstand zweifeln lässt. Indem du Betroffenen versicherst, dass du ihnen glaubst, kannst du eine Vertrauensbasis schaffen. Die Frage, wie du Betroffenen helfen kannst, dient als Denkanstoß, damit sie entscheiden können, was für sie am besten ist und welche Unterstützung sie benötigen.
Nicht unterstützende Reaktionen und Antworten:
Wenn man Betroffenen gegenüber auf folgende Weise unterstützt, schiebt man dem Opfer die Schuld in die Schuhe. Menschen in einer missbräuchlichen Beziehung erfahren diese Behandlung bereits von ihrem Partner/ ihrer Partnerin und anderen Personen – sie werden beschuldigt oder kritisch hinterfragt, weil Leute glauben, dass sie eine Rolle bei ihrem eigenen Missbrauch gespielt haben. Eine solche Reaktion kann zur Isolation der Betroffenen führen und das Vertrauensverhältnis zerstören.
Vermeiden: Den missbrauchenden Partner/ die Partnerin schlecht reden
Besser: Den Schwerpunkt auf die Verhaltensweisen und nicht auf die Person setzen
Vermeiden: Ein Ultimatum stellen
Besser: Betroffene ihre eigenen Entscheidungen treffen lassen und nachfragen, wie man helfen kann
Vermeiden: Betroffene beurteilen
Besser: Betroffene mit Informationen und Unterstützung bestärken
Vermeiden: Sofort die Polizei anrufen
Besser: Mögliche Konsequenzen abwägen – die Situation könnte verschärft werden
Vermeiden: Ein gerichtliches Kontaktverbot erwirken
Besser: Ansprechen, dass eine gerichtliche Verfügung nicht unbedingt erteilt oder eingehalten wird und die Situation verschärfen könnte
LSBTQ*-Betroffene von sexueller Gewalt
Menschen jeder Geschlechtsidentität und jeder sexuellen Orientierung sind von sexueller Gewalt betroffen. Auch Menschen, die sich lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans* und queeren (LSBTQ* oder LGBTQ*) Gemeinschaften zugehörig fühlen, werden Opfer sexueller Gewalt. Doch sie werden mit anderen oder zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert als andere Bevölkerungsgruppen, wenn es um den Zugang zu rechtlicher, medizinischer, polizeilicher oder anderweitiger Unterstützung geht.
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Auswirkungen von sexueller Gewalt
LSBTQ*-Betroffene von sexueller Gewalt durchleben die gleichen Emotionen und Herausforderungen wie andere Betroffene, können aber mit zusätzlichen Hürden konfrontiert werden. Im Folgenden sind häufige Reaktionen auf das Erlebnis sexueller Gewalt beschrieben, die sowohl LSBTQ*-Betroffene als auch andere durchmachen.
- Betroffene wollen, dass man ihnen Glauben schenkt. Das Gefühl oder die Sorge, dass dir nicht geglaubt wird.
- Betroffene fragen sich, ob es ihre Schuld ist. Scham, Schuldgefühle oder das Gefühl, selbst verantwortlich zu sein. Du gehst den Übergriff vielleicht im Kopf immer wieder durch und fragst dich, ob du etwas falsch gemacht hast. Dich trifft keine Schuld.
- Betroffene fühlen sich alleingelassen. Es kann sich anfühlen, als wärst du der einzige Mensch auf der Welt, der Opfer sexueller Gewalt wurde. Vielleicht machst du dir auch Sorgen, von anderen verurteilt oder missverstanden zu werden, wenn du ihnen davon erzählst.
- Es kann sein, dass dir Zweifel begegnen, dass auch LSBTQ*-Menschen von sexueller Gewalt betroffen sein können. Vielleicht begegnen dir Leute, die fälschlicherweise annehmen, dass LSBTQ*-Menschen so etwas nicht passiert. Das macht es natürlich schwerer, darauf zu vertrauen, dass deiner Geschichte Glauben geschenkt wird.
- Es kann schwierig sein, sich selbst als betroffene Person zu sehen. Viele Betroffene tun sich schwer, eine Erfahrung als sexuelle Gewalt einzuordnen. Es erschwert es jedoch noch mehr, sich selbst als betroffene Person wahrzunehmen, wenn der Angriff nicht mit den eigenen Vorstellungen von sexueller Gewalt oder den daran Beteiligten übereinstimmt.
- Es kann schwieriger sein, jemandem davon zu erzählen, wenn du dein Coming-out noch nicht hinter dir hast. Wenn dein Freundeskreis oder deine Familie noch nicht über deine Geschlechtsidentität oder sexuelle Orientierung Bescheid weiss, kann es sein, dass es dir schwerer fällt, ihnen von sexuellen Übergriffen zu erzählen.
- Es kann sein, dass du keine Unterstützung bei einigen religiösen Gemeinschaften findest. Viele Betroffene finden Stärke und Heilung in ihrem Glauben. Es kann jedoch sein, dass du nicht die Unterstützung findest, die du verdient hast, wenn die religiöse Gemeinschaft deine Geschlechtsidentität oder sexuelle Orientierung nicht anerkennt.
Möglichkeiten, um LSBTQ*-Betroffene zu unterstützen
Manchmal weiß man nicht, wie man reagieren soll, wenn Menschen, die einem am Herzen liegen, erzählen, dass sie Opfer sexueller Gewalt wurden. Die Reaktion der ersten Person, der sich Betroffene anvertrauen, kann beeinflussen, ob sie anderen davon erzählen oder sich weitere Unterstützung suchen. Dabei ist es wichtig, urteilsfrei zuzuhören, anzuerkennen, wie schwer es ist, so etwas durchzumachen, und der Person zu versichern, dass sie euch am Herzen liegt.
- Hört zu. Viele Menschen, die eine Krisensituation durchmachen, haben das Gefühl, dass niemand sie versteht und dass sie nicht ernst genommen werden. Zeige der Person, wie wichtig sie dir ist, indem du der Person deine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkst. Es fällt vielen Betroffenen schwer, zu erzählen, dass sie Opfer eines Übergriffs wurden. Das gilt besonders, wenn sie sich noch nicht geoutet haben und es gleichbedeutend mit einem Coming-out wäre, wenn sie darüber reden. Also lass alles stehen und liegen und sei für sie da.
- Bestätigt die Person in ihren Gefühlen. Vermeide überzogen positive Aussagen wie „Das wird schon“ und versuche auch nicht, mit Sätzen wie „Reiß dich zusammen!“ oder „Du solltest dich nicht so schlecht fühlen“ ihre Emotionen zu steuern. Besser sind Aussagen wie „Ich glaube dir“ oder „Das muss wirklich schlimm sein, was du da durchmachst“.
- Bringe deine Anteilnahme zum Ausdruck. Gib der Person auf direkte Weise zu verstehen, dass sie dir wichtig ist, indem du so was sagst, wie „Du bist mir wichtig“ oder „Ich bin für dich da“.
- Achte auf eine inklusive Sprache, die die Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung der betroffenen Person bekräftigt. Statt Annahmen über die Geschlechtsidentität oder sexuelle Orientierung einer Person zu treffen, solltest du neutrale Ausdrücke wie „Partnerperson“ oder „Date“ anstelle von „Freund/Freundin“ verwenden. Vermeidee Annahmen über die Geschlechtsidentität oder die bevorzugten Pronomen einer Person. Es ist viel besser, wenn dir die Person die bevorzugten Pronomen mitteilt. Sonst kannst du auch nachfragen, mit welchen Pronomen die Person bezeichnet werden will. Wer sich unsicher ist, kann statt „er/sie“ immer den Namen verwenden.
- Stelle keine Fragen zu den Einzelheiten des Übergriffs. Auch wenn du neugierig bist, was genau passiert ist, und ein besseres Verständnis dafür entwickeln willst, solltest du vermeiden, im Einzelnen nachzufragen, wie der Übergriff ablief. Sollte dir eine betroffene Person diese Einzelheiten jedoch von sich aus anvertrauen, versucht, gut zuzuhören und dabei so wertfrei und unterstützend wie möglich zu sein.
Unterstützende Worte für Betroffene
„Ich glaube dir“ und „Es war sehr mutig von dir, mir davon zu erzählen“. Es kann Betroffenen unglaublich schwerfallen, sich zu überwinden und ihre Geschichte zu erzählen. Sie kämpfen vielleicht mit Schamgefühlen oder machen sich Sorgen, dass man ihnen keinen Glauben schenkt oder ihnen die Schuld gibt. Achte darauf, eine ruhige Ausstrahlung nicht dahingehend zu deuten, dass der Übergriff nicht stattgefunden hat – jeder Mensch verarbeitet traumatische Ereignisse auf eine andere Weise. Das Wichtigste, was du tun kannst, ist, der betroffenen Person Glauben zu schenken.
„Es ist nicht deine Schuld“ und „Du hast nichts getan, um das zu verdienen“. Betroffene geben sich oft selbst die Schuld, besonders, wenn sie die Person, die die Tat begangen hat, persönlich kennen oder unter Alkohol- oder Drogeneinfluss standen, als es zum Übergriff kam. Erinnere die betroffene Person – vielleicht auch mehrmals – daran, dass sie keine Schuld trifft.
„Du bist nicht alleine“ und „Du bist mir wichtig und ich bin für dich da, um dir zuzuhören oder dir auf jede erdenkliche Weise zu helfen“. Vermittle der betroffenen Person, dass du für sie da bist und bereit bist, dir die Geschichte anzuhören, falls die Person gewillt ist, sich dir anzuvertrauen. Versichere der Person, dass du sie für das, was passiert ist, nicht verurteilst. Frage die betroffene Person, ob es andere Menschen gibt, denen sie sich anvertrauen will und biete ihr dabei deine Unterstützung an.
„Es tut mir leid, dass dir das passiert ist“ und „Das hätte dir nicht passieren dürfen“. Vermittle, dass das Leben der Person durch das Erlebnis beeinträchtigt wurde. Sätze wie „Das muss echt hart für dich sein“ und „Ich bin froh, dass du das Gefühl hattest, dich mir anvertrauen zu können“ helfen dabei, Mitgefühl zu vermitteln.
Warnsignale bei Teenagern
Wenn du eine Bezugsperson von Jugendlichen bist, kannst du lernen, die Warnsignale von Teenagern zu erkennen, die Opfer von sexuellen Übergriffen oder sexuellem Missbrauch geworden sind. Wenn du lernst, Anzeichen für sexuelle Übergriffe oder sexuellen Missbrauch zu erkennen, dann kannst du etwas unternehmen, um zu helfen.
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Anzeichen dafür, dass ein Teenager möglicherweise Opfer sexuellen Missbrauchs wurde
Einige der Warnsignale dafür, dass ein Teenager Opfer von sexuellen Übergriffen oder sexuellem Missbrauch wurde, lassen sich schwer einordnen. Sie können mit den alltäglichen Schwierigkeiten einhergehen, die Teenager durchmachen, wenn sie lernen, sich mit ihrem Körper, Gleichaltrigen und ihrem Umfeld zurechtzufinden. Wenn sich irgendetwas nicht richtig anfühlt, vertraue auf dein Bauchgefühl. Es ist besser zu fragen und danebenzuliegen, als einen Teenager mit den Folgen sexueller Übergriffe alleine zu lassen. Es ist wichtig, Teenager daran zu erinnern, dass sie sich dir anvertrauen können, dass du ihnen Glauben schenkst und dass sie keine Schuld trifft, sollte etwas vorgefallen sein.
Falls du die folgenden Warnsignale bei Teenagern beobachtest, wäre es gut, auf diese zuzugehen.
- Ungewöhnliche Gewichtsveränderungen
- Ungesundes Essverhalten, wie beispielsweise Appetitverlust oder übermäßiges Essen
- Zeichen körperlicher Misshandlung, wie z. B. blaue Flecken
- Sexuell übertragene Infektionen (STIs) oder andere genitale Infektionen
- Anzeichen von Depressionen wie anhaltende Traurigkeit, Antriebsschwäche, Schlaf- und Appetitstörungen, Rückzug von normalen Aktivitäten oder Niedergeschlagenheit
- Angstzustände oder Besorgnis
- Leistungsabfall in der Schule
- Veränderungen bei der Selbstfürsorge wie Vernachlässigung der Körperhygiene, des Aussehens oder der Kleidung
- Äußerung von Selbstmordgedanken oder Selbstmordverhalten
- Alkohol- oder Drogenmissbrauch
- Selbstverletzendes Verhalten
Warnsignale dafür, dass sich ein Teenager in einer gewalttätigen Beziehung befindet
Für Jugendliche, die gerade erste Beziehungserfahrungen sammeln, kann es schwierig sein, zu erkennen, dass sexuelle Übergriffe und Misshandlungen eine gewalttätige Beziehung ausmachen. Als Außenstehende/r hast du es leichter, Warnsignale zu bemerken, wenn sich Teenager in einer gewalttätigen Beziehung befinden oder gefährdet sind, Opfer sexueller Übergriffe zu werden.
Achte auf Anzeichen, ob der Freund, die Freundin bzw. die Partnerperson des Teenagers folgendes gesagt oder gemacht hat:
- Versucht, die jugendliche Person zu sexuellen Handlungen zu überreden, zu denen diese nicht bereit ist
- Wird sexuell übergriffig oder zwingt die jugendliche Person zu ungewollten sexuellen Handlungen
- Weigert sich, während der sexuellen Aktivitäten Verhütungsmittel oder Schutz vor STIs zu verwenden
- Schlägt die jugendliche Person oder fügt ihr auf irgendeine andere Weise körperlichen Schaden zu
- Will nicht, dass die jugendliche Person Zeit mit Freunden oder ihrer Familie verbringt
- Bedroht oder kontrolliert die jugendliche Person
- Sorgt mit Drogen oder Alkohol für Situationen, in denen das Urteilsvermögen der jugendlichen Person eingeschränkt, oder ihre Fähigkeit, „Ja“ oder „Nein“ zu sagen, beeinträchtigt ist
Der Einsatz technischer Mittel, um andere zu verletzen
Auch durch technische Mittel und Online-Interaktionen können Jugendliche sexuellen Belästigungen und anderen unerwünschten Verhaltensweisen ausgesetzt sein. Manche Leute führen mit technischen Mitteln – wie beispielsweise Digitalfotos, Videos, Apps und sozialen Medien – belästigende, ungebetene oder nicht einvernehmliche sexuelle Interaktionen herbei. Das kann dazu führen, dass sich die Person am anderen Ende manipuliert, nicht sicher und bloßgestellt fühlt. Zum Beispiel, wenn jemand eine SMS, ein Foto oder eine Nachricht mit sexuellem Inhalt, die nur für den ursprünglichen Empfänger bestimmt war, weiterleitet. Die Gesetzgebung behandelt solche Situationen je nach Land und Plattform unterschiedlich und ist ständigen Veränderungen unterworfen.
Es ist nicht leicht, etwas zu unternehmen, aber sehr wichtig
Eine offene Kommunikation mit Jugendlichen kann eine echte Herausforderung sein, aber sie kann wesentlich zu deren Sicherheit beitragen. Je unabhängiger die Jugendlichen werden und je mehr Zeit sie mit ihren Freunden und anderen Aktivitäten verbringen, umso wichtiger ist es, stets ein offenes Ohr zu haben und den Teenagern zu vermitteln, dass sie dir vertrauen können.
In meinen Slow Intimacy Sessions begleite ich Menschen, welche nach traumatischen Erfahrungen wieder Vertrauen in Nähe finden möchtest.
